Von „grünes Licht geben“ bis „auf die Tube drücken“ – im Interview mit dem Wissenschaftsportal L.I.S.A. durfte ich spannende Fragen zu Redewendungen rund ums Automobil und ihre historischen Kontexte beantworten. Inwiefern sind solche Wendungen Ausdruck einer nationalkulturellen Bindung ans Automobil? Jedenfalls deutet einiges daraufhin, so mein Argument, dass die prinzipielle Zeichenhaftigkeit des Straßenverkehrs eine figurative Sprache ausprägte, was den Übergang in den allgemeinen Sprachgebrauch begünstigte. Ansonsten geht es viel um Farbsignale: Wann kamen die ersten Ampeln auf? Warum hat sich eigentlich die Grün als Zeichen für freie Fahrt etabliert? Und am Ende des Interviews war es „höchste Eisenbahn“ für eine Bonusfrage.
Autor: knowak
Neuer Aufsatz zu Kinokämpfen in der Weimarer Republik
Wegen Papierknappheit hat es etwas länger gedauert, doch jetzt ist der Band Hessische Skandale. Medien, Gesellschaften und Normkonflikte endlich erschienen. Dieser Tagungsband ohne Tagung – die im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden geplante Konferenz fiel leider der Pandemie zum Opfer – vereinigt einen bunten Strauß an Fallstudien. Den Untersuchungen von Skandalen mit mal mehr, mal weniger Hessenbezug stehen zwei konzeptionelle Beiträge zur Seite, die den theoretischen Rahmen der historischen Skandalforschung abstecken.
Mein Beitrag mit dem Titel Kinokämpfe. Filmskandale und die politische Kultur der Weimarer Republik versucht beides miteinander zu verbinden: Anhand von Skandalen um Kriegsfilme wie Im Westen nichts Neues (USA 1930) und politischer Filme wie Panzerkreuzer Potemkin (SU 1925) stelle ich Überlegungen zur gesellschaftlichen Funktion von Skandalen an und setze sie in Beziehung zur Geschichte der politischen und medialen Kultur der Weimarer Republik.
Kinokämpfe. Filmskandale und die politische Kultur der Weimarer Republik, in: Alexander Jehn / Andreas Hedwig / Rouven Pons (Hg.): Hessische Skandale. Medien, Gesellschaften und Normkonflikte, Wiesbaden 2021, S. 205-221.
Märsche der Morderne – Digitale Ringvorlesung im SoSe 2021
Am 20. April 2021 startet an der Universität Leipzig die digitale Ringvorlesung „Märsche der Moderne“. An zehn Terminen im Sommersemester, jeweils dienstags von 17 bis 19 Uhr, loten insgesamt dreizehn Vortragende „Varianten eines globalen Phänomens“ aus. Das Spektrum reicht von Gandhis Salzmarsch über die Ostermärsche bis hin zu feministischen Märschen der Gegenwart. In der ersten Sitzung geben Jürgen Dinkel und ich als Organisatoren der Reihe zunächst eine Einführung, danach übernimmt Hubertus Büschel (Kassel) und spricht zu Märschen als Inszenierungen von Dekolonisierung und neuer Staatlichkeit in Afrika. Das vollständige Programm ist unten aufgeführt, das Plakat der Ringvorlesung gibt es als Download.
Die Vorträge werden live über den Youtube-Kanal des ZMP der Universität Leipzig gestreamt.
(mehr …)Sicherheitsdidaktiken im 20. Jahrhundert: GWU-Themenheft erschienen
Das von mir zusammengestellte Themenheft von Geschichte in Wissenschaft und Unterricht zu Sicherheitsdidaktiken im 20. Jahrhundert ist jetzt erschienen. In fünf Beiträgen gehen die Autorinnen und Autoren der Frage nach den historischen Wandlungen von Ansätzen des Lehrens und Lernens von „Sicherheit‟ und ihren methodischen Umsetzungen nach. Wie wurde zu unterschiedlichen Zeiten versucht, die Lernenden zu erwünschten Verhaltensanpassungen im Sinne eines Zugewinns an Sicherheit bzw. der Vermeidung von Risiken zu motivieren? Die Aufsätze leisten nicht allein Beiträge zu einer Zeitgeschichte der Sicherheit, sondern eröffnen ihr zugleich neue gesellschafts-, mentalitäts- und mediengeschichtliche Perspektiven.
Henning Tümmers schlägt in seinem Text einen weiten Bogen vom frühen 20 Jahrhundert bis in die Gegenwart und kann, ob Syphilis, HIV/AIDS oder Corona, einige sicherheitsdidaktische Konstanten in der Kommunikation von Verhaltensmaßnahmen der Seuchenprävention ausmachen. Ebenfalls in einer Längsschnittperspektive betrachtet Nina Kleinöder am Beispiel der Stahlindustrie die Geschichte des betrieblichen Unfallschutzes und stellt einen Wandel von reaktiven Formen hin zu moderner Präventionsarbeit fest. Mein eigener Beitrag zur Geschichte der schulischen Verkehrserziehung kann zeigen, wie sich die Didaktik des Verkehrsunterrichts unter den Vorzeichen von Massenmotorisierung und Verwissenschaftlichung von Vernunftappellen und Ansätzen der Wissensvermittlung hin zu Selbstführung und Kompetenzorientierung entwickelten. Phillip Wagner geht der Frage nach, mit welchen Ansätzen und Methoden die politische Bildung in den 1980er Jahren die Demokratie gegen Bedrohungen abzusichern versuchte. Franzisika Rehlinghaus zeigt in ihrem Beitrag an einem anschaulichen Beispiel, welche Sicherheitsversprechen die Weiterbildungsbranche in den 1970er/80er Jahren unterbreitete und mit welchen Methoden versucht wurde, die Kundinnen und Kunden in die Lage zu versetzen, biographische Kontingenzen zu bearbeiten. Eingeleitet wird das Themenheft von einem konzeptionellen Aufriss, in dem ich in aller Kürze versuche, das Forschungsfeld der Sicherheitsdidaktik zu profilieren.
Auf der Webseite des Friedrich-Verlags lässt sich ein Blick ins Inhaltsverzeichnis werfen.
Themenheft „Sicherheitsdidaktiken im 20. Jahrhundert“, Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 71 (2020), Nr. 9/10.
Rückblick #2: Filmeinführungen
2019 war das Jahr der Filmeinführungen. Im April des Jahres hat das Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum in Berlin eine Filmreihe kuratiert, die lose auf meine Dissertation über Filmskandale zurückgriff: Umkämpfter Ort. Das Kino der Weimarer Republik. Das abwechslungsreiche Programm wurde ergänzt um einführende Kurzvorträge, mit denen Expertinnen und Experten den dem Publikum die historischen-politischen Kontexte der Filme näherbrachten. So habe ich die Skandalgeschichten rund um Anders als die Andern (D 1919), Wege zu Kraft und Schönheit (D 1925) und Panzerkreuzer Potemkin (SU 1925) im Zeughauskino vorgestellt. Ebenfalls den Panzerkreuzer Potemkin durfte ich im Mai im Schweizerischen Baden in der Reihe royalscandalcinema präsentieren. Schon seit 2015 zeigt das Badener Kino Royal bekannte und weniger bekannte, aber stets aufsehenerregende Skandalfilme aus über 100 Jahren Filmgeschichte und begleitet das Programm mit filmwissenschaftlichen Einführungen.
Rückblick #1: Medienthema Verkehrserziehung
Kürzlich hat die Kampagne „Runter vom Gas“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrats einen Beitrag zur Geschichte der Verkehrssicherheit veröffentlicht, in dem ich mit Statements zum Sicherheitsgurt und zu Promillegrenzen zitiert werde. Doch bereits im letzten Jahr war ich mit meinem Forschungsprojekt „Sicherheit als Siebter Sinn“ mehrfach in Presse und Rundfunk präsent. Anlässlich des Schulstarts im August wurde ich von MDR Aktuell und der Leipziger Zeitung zur Geschichte und Gegenwart der Verkehrserziehung interviewt. Dabei schienen insbesondere die von Eltern-Taxis ausgehenden Gefahren zu interessieren und die Entstehung dieses Phänomens seit den 1980er Jahren, als in Westdeutschland weitere Wohlstandszuwächse (Zweitauto) auf traditionelle Familienmodelle (Alleinverdienerehen) trafen. Ende des Jahres schließlich erschien ein Interview in der Zeitschrift für Verkehrserziehung. Ich konnte also in einem jener Fachorgane etwas über meine Forschungsergebnisse berichten, deren ältere Jahrgänge ich im Zuge der Untersuchungen zuvor ausgewertet hatte – für Historikerinnen und Historiker keine alltägliche Erfahrung.
„Hör auf deine Frau, fahr‘ vorsichtig“
Im Berliner Panama-Verlag ist kürzlich ein von Alexandra Schwell und Katharina Eisch-Angus herausgegebener Sammelband erschienen, der die „(Un-)Sicherheitsgesellschaft“ des 20. und 21. Jahrhunderts mit kulturanthropologischer Brille in den Blick nimmt, aber auch historische Perspektiven nicht ausspart. Ich bin darin mit einem Beitrag vertreten, der zeigt, wie die Verkehrssicherheitsarbeit in der Bundesrepublik versuchte, in ihren praktischen Maßnahmen und öffentlichen Kampagnen („Hör auf deine Frau, fahr vorsichtig“, „Komm gut heim“, Schülerlotsendienst) bestehende soziale Strukturen im privaten Umfeld nutzbar zu machen. In diesem Sinne arbeitete die Verkehrserziehung nicht allein mit bestimmten Gesellschaftsmodellen und Normvorstellungen sozialer und politischer Ordnung, sondern sie bediente sich zugleich bestehender Machtstrukturen im familiären Umfeld sowie in Bildungs- und Sozialisationskontexten. Dabei wurden private Räume und Beziehungen zum integralen Bestandteil eines „Sicherheitsdispositivs“. Diese These wird ausgehend von Beispielen aus den 1950er und 1960er Jahren bis nah an die Gegenwart verfolgt. Dabei wird deutlich, dass bei allen Unterschieden in der konkreten Kampagnenführung und trotz umfassenden Wertewandels hinsichtlich der aufgerufenen Geschlechterrollen und Familienbildern eine frappierende Kontinuität von den frühen 1950er Jahren bis in die Gegenwart herrscht.
Update 02.04.2020: Marcus Böick hat den „überaus anregenden Sammelband“ am 08.01.2020 für H-Soz-Kult rezensiert.
„Hör auf deine Frau – fahr‘ vorsichtig!“ Historische Perspektiven auf die Sphäre des Privaten in der Verkehrssicherheitsarbeit, in: Alexandra Schwell / Katharina Eisch-Angus (Hg.): Der Alltag der (Un)sicherheit. Ethnographisch-kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die Sicherheitsgesellschaft, Berlin 2018, S. 64-87.
„Weimarer Kino – neu gesehen“ mit Willy-Haas-Preis ausgezeichnet
Die Retrospektive der Berlinale 2018 widmete sich dem Weimarer Kino und präsentierte weitgehend unbekannte Facetten und neu zu entdeckende Filme. Das Begleitbuch „Weimarer Kino – neu gesehen“ zur Retrospektive, in dem ich mit einem Aufsatz über „Umkämpfte Filme. Skandal und Zensur im Kino der Weimarer Republik“ vertreten bin, ist am 21.11.2018 auf dem Cinefest in Hamburg mit dem Willy-Haas-Preis für das beste deutsche Filmbuch ausgezeichnet worden. Die Jury hob in ihrer Begründung hervor: „Besonders lobenswert erscheint, dass sich das ‚neu gesehen‘ tatsächlich auf ‚neue‘, d.h. bisher kaum betrachtete Filme bezieht. Darüber hinaus überzeugt der Band auf den ersten Blick mit einer sehr guten Bildqualität und einem tollen Layout und Satz. Ein Buch, das Lust auf die Filme macht.“ Der von Karin Herbst-Meßlinger, Annika Schäfer und Rainer Rother herausgegebene Band ist mehr als ein klassisches Begleitbuch: Reich bebildert enthält er sowohl Aufsätze von Filmhistorikerinnen und -historikern auf aktuellem Forschungsstand als auch eingestreute Kurzessays von bekannten Filmemacherinnen und Filmemachern wie Wim Wenders und Jutta Brückner.
Update 29.12.2018: Hans Helmut Prinzler, der in seinem Blog Filmbuch-Rezensionen Monat für Monat unzählige Neuerscheinungen bespricht, hat „Weimarer Kino – neu gesehen“ als Filmbuch des Jahres 2018 ausgezeichnet.
Umkämpfte Filme. Skandal und Zensur im Kino der Weimarer Republik, in: Karin Herbst-Meßlinger / Rainer Rother / Annika Schaefer (Hg.): Weimarer Kino – neu gesehen, Berlin 2018, S. 214-236.
Unfallprävention durch Automatismen?
In den 1960er Jahren fand ein Paradigmenwechsel in der Verkehrserziehung statt, der eng verbunden war mit einer Diskussion über die Bedeutung vorbewussten Verhaltens für die Verkehrssicherheit ein. Ließen sich Unfälle wirksamer verhüten, fragten sich die Experten, wenn man die Verkehrserziehung auf Automatismen abstellte? Wenn man die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer nunmehr erfolgreich motivierte, richtiges, der Situation angemessenes Verhalten zu verinnerlichen und abrufbar zu halten? Dieser Debatte geht ein Beitrag von mir nach, der in einem von Nicolai Hannig und Malte Thießen herausgegebenen Sammelband enthalten ist, und ordnet sie in die Geschichte der Prävention in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. Bereits Ende letzten Jahres ist Vorsorgen in der Moderne. Akteure, Räume und Praktiken in der Schriftenreihe der Viertelsjahrshefte für Zeitgeschichte bei DeGruyter Oldenbourg erschienen. Die Bandbreite der Beiträge reichen vom Strafvollzug über Ernährung bis hin zur Verweigerung von Vorsorge. Mittlerweile ist das Buch auch sehr gut besprochen worden, etwa in einer Rezension auf H-Soz-Kult.
Automatismen als Unfallprävention? Verkehrssicherheit in der frühen Bundesrepublik im Zeichen von Selbstkontrolle und Resilienz, in: Nicolai Hannig / Malte Thießen (Hg.): Vorsorgen in der Moderne. Akteure, Räume und Praktiken (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 115), München 2017, S.147-167.
Verkehrserziehung in der frühen Bundesrepublik und das Konzept der Selbstkontrolle
Vor einigen Wochen ist ein Themenheft von Historical Social Research zu „Risk as an Analytical Category“ erschienen. Die von Peter Itzen und Simone M. Müller (beide Freiburg) herausgegebene Ausgabe enthält sehr lesenswerte Artikel, u.a. von Sebastian Haus zu den Risikostrategien der westdeutschen Schwulenszene gegenüber HIV/AIDS oder von Malte Thießen zur Geschichte der Auseinandersetzung mit Impfrisiken. Ich bin mit dem Beitrag „Road Safety and Traffic Education in Post-War Germany“ vertreten, der einem Paradigmenwechsel im Umgang der bundesdeutschen Verkehrserziehung mit Unfallrisiken in den 1950er bis 1970er Jahren nachspürt:
In den 1950er Jahren sah sich die Verkehrspolitik der Bundesrepublik Deutschland mit einer Situation konfrontiert, die zeitgenössisch als „Verkehrskrise“ bezeichnet wurde. In nur wenigen Jahren nahm die Anzahl der Kraftfahrzeuge auf westdeutschen Straßen rapide zu, und dies galt auch für die Zahl der Unfälle und Unfalltoten. Entsprechend wurden die Bemühungen auf dem Gebiet der Verkehrserziehung stark ausgeweitet. Der Artikel untersucht anhand öffentlicher Kampagnen und Expertendiskurse die Karriere des Konzepts von Selbstkontrolle unter Verkehrssicherheitsexperten und seinen Beitrag zu einem Paradigmenwechsel in der westdeutschen Verkehrserziehung. Im Laufe der drei Dekaden von den 1950er bis 1970er Jahren verschob sich die Perspektive von externer Regulierung durch disziplinäre Maßnahmen und Appelle an die Vernunft hin zu der Internalisierung adäquaten Verhaltens im Straßenverkehr und Kompetenz hinterm Steuer. Die Verkehrserziehung versuchte nun vielmehr, die Verkehrsteilnehmer zur Selbstregulierung zu bewegen und ihre Fähigkeit zu verbessern, sich an Verkehrssituationen anzupassen. Ziel war die Etablierung eines spezialisierten „Siebten Sinns“ als Kernelement traditionellen Risikoverhaltens. Selbstkontrolle, so wie das Konzept in Kampagnen und anderen Verkehrssicherheitsmaßnahmen umgesetzt wurde, arbeitete mit erwünschten Vorstellungen soziopolitischer Ordnung und vom gesellschaftlichen Zusammenleben. Dies waren insbesondere traditionelle Familien- und Geschlechterrollen, christliche Werte und demokratische Freiheit.
Der Beitrag kann als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Teaching Self-Control. Road Safety and Traffic Education in Post-War Germany, in: Historical Social Research 41 (2016), H. 1, S. 135-153.